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Channel: MisanthropinWiderWillen
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Flachgelegt

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Neulich war Frau Finke krank.
Sehr krank sogar.
Und dabei lebt sie mit 3 Kindern alleine und kann sich krank sein gar nicht leisten.


Als ich nun Frau Finkes Horrorstory las, musste ich an neulich denken:
Seit Lucky Luke diese Petrischale, die sich "Kindergarten" nennt, besucht, bin ich ständig krank.
Vor ein paar Monaten trug es sich zu, dass es mir, nachdem ich Lucky in den KiGa gebracht hatte, plötzlich sehr schnell sehr schlecht ging.
Ich hatte mir offenbar den Magen-Darm-Virus, der im KiGa grassierte, eingefangen.
Als es an der Zeit war, Lucky abzuholen, konnte ich mich kaum auf den Beinen halten und fühlte mich auch nicht in der Lage, das Auto sicher zu steuern.
Was tun?


Ich rief beim KiGa an, schilderte mein Dilemma und fragte, ob es möglich sei, Lucky in ein Taxi zu setzen. Nee, das ist verboten!
Da müsste dann halt jemand anders... Irgendjemand...
Ein bisschen hatte ich ja gehofft, dass sich eine der üppig vorhandenen Erzieherinnen ins Auto setzt und mir Lucky nach Hause bringt. Sind ja nur 1200 Meterchen.
Aber nee...
Mich samt Kindersitz in ein Taxi setzen? Und wenn ich den Wagen vollkotze? Oder schlimmer: mir in die Hose scheiße?? Nee.
Also schwankte ich zum Auto und schlich mit 12 km/h zum KiGa, die Kotztüte in der linken, das Steuer in der rechten Hand, parkte mit laufendem Motor direkt vor der Tür, obwohl strengstens verboten, schnappte mir Lucky (in Spielklamotten und Pantöffelchen) und rollte nach Hause.

Das war eine ziemlich beschissene Erfahrung.

Ich höre schon die Klugscheißer:
"Dann hätte ihn halt jemand anderes holen müssen!"
OK, das war die Sachlage:
- der Pilot arbeitete an diesem Tag 100 km entfernt
Oppa, mein ewig verlässlicher "Notnagel", lag im Koma und
Omma ist grundsätzlich gesundheitlich nicht in der Lage in Notfällen einzuspringen
- Schwiegeromma lebt 500 km entfernt
- Elvis Mathe-LK-Klausur
- Charlotte arbeitete gerade den 3. Tag im neuen Job
- Kusine Püppi im Urlaub
- Nachbarin Pavenstädt, die ewig hilfsbereite, arbeitet in Nachbarstadt

"Aber irgendjemanden MUSS es doch geben! Nachbarn oder Babysitter!"
Welchen Nachbarn meint ihr denn genau?
Den kinderhassenden Alki, der die Bullen ruft, wenn ein Ball in seinen Vorgarten kullert?
Die uralte Klavierlehrerin, die ohne Rollator keinen Schritt mehr machen kann?
Den Hells Angel mit dem Irokesen?
Die durchgeknallte Psychotikerin über mir, die mir wahrscheinlich erst den Stinkefinger zeigen und uns dann alle mit ihrem Samuraischwert köpfen würde?
Aufgrund der hohen Aus- und Einzugs-Frequenz kenne ich die anderen gar nicht.
"Nachbarn" - klingt immer so nett und funktioniert vermutlich auch, wenn man in einer hübschen Reihenhaussiedlung wohnt, wo jeder jeden kennt.
Ich wohne im Mietshaus am Rande des Russenviertels. Und ich rede hier nicht von einem Beluga-Iordanov-Arrondissemang, wenn ihr versteht.
- Und meine beiden Babysitter gehen noch zur Schule, die kann ich schwerlich vormittags anrufen und zum KiGa jagen.

"Frag' doch eine der anderen KiGa-Muttis, ob eine Lucky mitnehmen kann."
- Diejenige braucht einen 2. Kindersitz.
- KiGa lief zum Magen-Darm-Dilemma erst 2 Monate und während der beiden "Wir basteln gemeinsam unnützen Scheiß"-Termine sind wir miteinander noch nicht so intim geworden, dass ich eine von denen anrufen und bitten könnte, dass sie mein Kind nach Hause bringt. Ich wüsste ja nicht mal deren Namen!

"Die Krankenkasse stellt Haushaltshilfen!"
- Ja, das tut sie. Eine Haushaltshilfe muss man aber beantragen. Dafür benötigt man ein Rezept vom Arzt und muss dieses der KK zukommen lassen. Die genehmigen eine HH und innerhalb von 2 Tagen haste so 'ne Fee bei dir zu hause.
Hätte aber in meinem (und Frau Finkes) konkreten Fall auch nix genützt. Ich hätte innerhalb von 2 Stunden jemanden gebraucht.
Außerdem muss man ja in der Lage sein, zum Arzt zu gelangen bzw. dort dann, nach Möglichkeit, aufrecht im Wartezimmer zu sitzen. Ja, es gibt auch Ärzte die ins Haus kommen, so wie meiner übrigens. Aber das scheint heutzutage die Ausnahme zu sein.

"Dann musste dir halt ein soziales Netzwerk aufbauen!"
Nun, *hüstel*, ich bin nicht gerade ein Fan meiner Mitmenschen und/oder sozialer Interaktion.
Selbst wenn ich wollte und könnte, kann ich mir nicht innerhalb von wenigen Wochen oder Monaten einen Bekanntenkreis aufbauen, der dann auch rasch zur Stelle wäre, wenn mal  "was" ist.

"Frag doch mal beim Jugendamt nach!"
Done.
Habe mein Dilemma geschildert und gefragt, was ich im Notfall tun könne. Das wussten die auch nicht so genau und siehe oben (Aber irgendjemanden MUSS es doch geben!).
Vor 20 Jahren arbeitete eine Bekannte als Familienhelferin. Diese Familienhelferinnen rief man im Notfall an, und dann stand eine von denen parat. Ohne viel Beantragungsgedöns.
Gibt's hier nicht mehr, weil's keiner zahlt.
Wenigstens habe ich eine Liste von flexiblen Tagesmüttern bekommen, die auch mal kurzfristig Kinder nehmen. Wer die Kosten dann trägt, bleibt abzuwarten...


Warum ich das erzähle?
Weil mir beim Lesen von Frau Finkes und anderen Blogs von Alleinerziehenden immer wieder diese penetrant/patzigen Kommentatorinnen auffallen, die meinen, dass es für alles eine Lösung gibt. Geben MUSS! Weniger Geschiss um alles machen und einfach handeln, statt jammern!
Sorry für's Desillusionieren, liebe Frauen mit Ehemann/Schwiegeromma/Kinderfrau, aber es gibt eben manchmal Situationen, da bist du komplett auf dich alleine gestellt, ob ihr es wahrhaben wollt, oder nicht. Face it!
Und das hat auch nix mit Jammerei zu tun, das sind Fakten.

Mittlerweile kenne ich die Mitmütter aus dem KiGa besser und würde sicherlich eine anrufen.

Kann nur hoffen, dass es nicht mehr von solchen Tagen gibt.

In diesem Sinne: auf ein GESUNDES 2016!


*Dieser Blogpost wurde vom Sterbebett aus geschrieben. Mit Himbeerzunge.*


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